Schaden
Gefälscht, geladen, verschwunden
Die deutsche Versicherungswirtschaft schlägt Alarm:
Die Zahl professionell organisierter Betrugsfälle durch sogenannte Phantomfrachtführer hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Hierbei handelt es sich um vermeintliche Transportunternehmen, die mit gefälschten oder gestohlenen Identitäten auftreten, Transportaufträge übernehmen und anschließend mit der Ware spurlos verschwinden.
Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stieg die Zahl dokumentierter Fälle europaweit von 80 im Jahr 2022 auf 266 im Jahr 2024. Allein im ersten Quartal 2025 wurden bereits über 200 Fälle registriert. Der geschätzte volkswirtschaftliche Schaden liegt bei rund 1,3 Milliarden Euro jährlich.
Wie die Täter vorgehen? Phantomfrachtführer bedienen sich vorrangig öffentlicher Frachtbörsen, um Zugang zu Transportaufträgen zu erhalten. Im Zuge dessen nutzen sie manipulierte Identitäten real existierender Speditionsunternehmen – insbesondere durch geringfügig abgewandelte E-Mail-Domains, Telefonnummern oder weitere Kontaktinformationen. Zudem werden regelmäßig gefälschte Versicherungsbestätigungen und Nachweise eingereicht, die auf den ersten Blick authentisch wirken.
Die betrügerische Absicht bleibt im operativen Tagesgeschäft oft unerkannt, da die Kommunikation professionell erscheint und Zeitdruck bei der Auftragsvergabe herrscht. Die Aufdeckung erfolgt meist erst nach erfolgter Warenübernahme – in der Regel zu spät, da die Täter mitsamt der Ware bereits verschwunden sind.
Auffällig ist darüber hinaus die zunehmende Professionalisierung der Vorgehensweise: So richten die Täter häufig gezielt Briefkastenfirmen ein, über die eine Vielzahl von Transportaufträgen abgewickelt werden können. In einzelnen Fällen wurden durch eine einzige Scheinfirma bis zu 40 Ladungen unbemerkt entwendet – bevor ein Schaden gemeldet oder eine Spur aufgenommen werden konnte.
Haftungslücke mit weitreichenden Folgen
In der Praxis zeigt sich: Die gesetzlich vorgesehene Haftung des Frachtführers im Rahmen der Sonderziehungsrechte reicht regelmäßig nicht aus, um den tatsächlichen Warenwert abzudecken – insbesondere bei hochpreisiger Ware. Problematisch ist zudem, dass bei Betrugsfällen dieser Art keine reguläre Frachtführerhaftung greift: Es fehlt an einem wirksam zustande gekommenen Frachtvertrag, weshalb häufig weder Regress genommen werden kann noch Versicherungsschutz greift.
Für Unternehmen bedeutet das: Der wirtschaftliche Schaden bleibt in vielen Fällen vollständig beim Auftraggeber, im besten Fall bei der eigenen Transportversicherung, sofern diese vorhanden ist. Parallel kann sich durch wiederholte Schadenmeldungen auch die Versicherungsprämie erhöhen oder der Versicherungsschutz im schlimmsten Fall entfallen.
Wir empfehlen folgende Präventionsmaßnahmen
- Gründliche Prüfung von Subunternehmern
Subunternehmer sollten konsequent auf Plausibilität geprüft werden – unter anderem mittels Handelsregisterauszug, USt-ID, Kommunikationsdaten und Rechtsform. Bereits kleinste Abweichungen, etwa in E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, sind als Warnzeichen zu verstehen.
- Echtheitsprüfung von Unterlagen und Referenzen
Phantomfrachtführer reichen regelmäßig gefälschte Dokumente ein. Versicherungsbestätigungen sollten direkt beim Versicherer rückverifiziert werden. Auch Referenzen müssen geprüft werden – idealerweise durch Rückfragen, ob die beschriebenen Transporte wirklich stattgefunden haben. Zusätzlich sollten bei Abholung Fotos vom Fahrer, Führerschein und Kennzeichen gemacht werden. Die entsprechenden Datenschutzvorgaben sind hierbei zu beachten.
- Interne Sicherheitsstandards etablieren
Checklisten, technische Zugriffsbeschränkungen und klar definierte Freigabeprozesse sind entscheidend für eine sichere Auftragsvergabe. Die Vergabe und Annahme von Transportaufträgen sollte ausschließlich über festgelegte Kommunikationswege mit benannten Ansprechpartnern erfolgen.
Bei Abweichungen ist aktiv nachzufragen – fehlt eine plausible Erklärung, sollte der Auftrag neu vergeben werden. Mitarbeitende sollten regelmäßig geschult und für gängige Betrugsmuster sensibilisiert werden.
- Versicherungsschutz regelmäßig prüfen
Die gesetzliche Verkehrshaftung nach § 431 HGB deckt in der Praxis oft nur einen Bruchteil des tatsächlichen Warenwerts ab. Wir empfehlen daher individuell zugeschnittene Versicherungskonzepte mit erweiterten Deckungen insbesondere bei hochwertiger Fracht.
- Informationsaustausch institutionalisieren
Netzwerke wie GDV, TIS oder TAPA ermöglichen einen strukturierten Austausch über aktuelle Betrugsfälle und Methoden – ein entscheidender Vorteil für Prävention und Risikobewertung.
- Handlungsfähigkeit im Verdachtsfall sicherstellen
Bei Unregelmäßigkeiten gilt: Beladung stoppen, Frachtführer rückverifizieren, Polizei und Makler einschalten sowie den gesamten Vorgang dokumentieren. Auch die Weitergabe von Transportaufträgen („Subcontracting“) sollte vertraglich ausgeschlossen oder streng geregelt und kontrolliert werden: Unterfrachtführer müssen denselben Prüfprozess durchlaufen wie der Hauptfrachtführer.
Fazit: Die Phantomfrachtführer-Masche ist eine hochentwickelte Form des Ladungsdiebstahls, die mit geringem Aufwand maximalen Schaden anrichtet. In Zeiten digitaler Auftragserteilung und hohem Zeitdruck funktionieren einfache klassische Kontrollmechanismen oft nicht mehr. Nur durch verstärkte Sorgfalt bei der Auftragsvergabe, intelligentes Versicherungs-Risikomanagement und branchenweite Kooperation lässt sich dem Trend wirksam entgegenwirken.
Wir helfen Ihnen gerne bei der Implementierung der empfohlenen Präventionsmaßnahmen.

Annalena Uhrmann
Industrie-Team
